Drei Jahre wach- ein Resumee

Dreieinhalb Jahre sind inzwischen vergangen, seit dem Moment, in dem mir der Kopf explodierte und ich den Verstand verlor. Und das war erst der Anfang dessen, was man eventuell echtes Da-Sein nennen könnte. Seither ist einerseits viel passiert und andererseits gar nix.

 

Die Sichtweise, dass gar nix passiert ist, lässt sich schnell abhandeln: Ich meine damit, dass seither keine drängenden, großen Fragen mehr aufgetaucht sind, die Suche vorbei ist und sich von außen betrachtet auch an meinen Lebensumständen nicht viel geändert hat- außer vielleicht, dass es ruhiger zugeht, ich von einem konstanten, subtilen Gefühl der Zufriedenheit, des allgemeinen OK's getragen werde, ganz egal, ob gerade eher Sturmflut oder Flaute herrscht.

 

Und dennoch ist auf ne andere Art betrachtet auch irre viel passiert. Nach Monaten, in denen alles neu, frisch, anders- wie Neugeboren auf mich wirkte, ging der Integrationsprozess los. Vieles musste neu ausgehandelt werden, manche Schukartons hatte ich im Erwachensprozess noch übersehen und wurde meist freundlich, manchmal auch etwas unsanfter darauf hingewiesen, mir die Inhalte anzuschauen. Dabei war ein ums andere Mal erstaunlich zu bemerken, welcher Art diese Inhalte waren. Mein ungünstiges Verhältnis zu Geld tauchte dabei auf- es war wohl zu 'unwichtig', um im eigentlichen Prozess bemerkt zu werden und doch eine nicht ganz unwichtige Facette in Bezug auf mein Selbstwert-Thema. Im Gegensatz dazu doch von deutlich höherer Relevanz und dennoch erst post-Erwachen gesehen, mein Todeskampf als Kleinkind, als ich fast in einem Pool ertrank. Den Zeitraum nach meiner Rettung hatte ich schon im Prozess geklärt- und dabei offenbar völlig übersehen, dass das Ertrinken als solches (natürlich!) an und für sich auch traumatisch gewesen sein musste. Echt verrückt, auf sowas naheliegendes nicht gleich zu kommen. Verrückt und spannend.

 

Letztes Jahr (2017) tauchte dann was neuartiges auf: Ich bemerkte, mit einigem Input von anderen, dass ich mich zu sehr darauf fokussiere, nach meinem alten Kram zu suchen, wann immer irgendwas eng, drückend, unangenehm wurde. Mit großem Erstaunen wurde dann sichtbar, dass ich durch meine Arbeit als Scout extrem viel Ballast meiner Auftraggeber mit mir herum schleppe und zu wenig dafür sorge, dahingehend zu 'entgiften'. Also mehr Selbstfürsorge, Zeit für mich, emotionales Detox machen.

 

Und wieder und wieder tauchte während der Integration- aber auch schon im Erwachensprozess- eine falsche (?) Erwartung von mir auf- die ich offenbar selbst jetzt noch nicht ganz los lassen kann- siehe das Fragezeichen hinter 'falsch': Es ist die Erwartung, eines Tages doch noch den gaaaanz dicken Klopper zu finden. Das sind so vage Sachen wie:

 

  • es könnte natürlich auch bei mir sein, dass ich ein Trauma komplett verdrängt habe und es mir eines schönen Tages um die Ohren fliegt

  • es könnte aber natürlich auch sein, dass ich irgendwann noch etwas total schlimmes, monströses, bösartiges in mir finde- quasi den 'Beweis' dafür, dass alle, die mir schon als Kleinkind eingeredet haben, ein schlechter Mensch zu sein doch recht hatten- also den Beweis dafür, dass meine Selbstzweifel 'richtig' waren, ich einen 'bösen' Kern habe...

 

 

 

Mal schauen, ob mich die Reste dieser komischen Erwartungen jemals verlassen werden- oder sie sich doch noch bewahrheiten. Andere Dinge haben mich inzwischen nahezu vollständig verlassen. Darunter der Glaube, es gäbe ganz viele andere Erwachte zum Beispiel. Aber auch die Ansicht, dass es ganz furchtbar schlimm wäre, dass in 'der Szene' soviele falsche Fuffziger unterwegs sind und ich unbedingt und dringend alles in meiner Macht stehende dagegen unternehmen müsste. Ich seh das alles inzwischen sehr viel gelassener. Wir sind hier nunmal in Mayas Reich- der Welt der Illusion, des Traums. Die wenigsten wollen wirklich erwachen- die meisten wollen nur den Traum vom Erwachen träumen. Und für die muss es dann eben auch ausreichend viele 'Traumfänger' geben. Solang diese nicht irgendeinen strafrechtlich relevanten Missbrauch betreiben (und mich mit ihrem Gesabbel verschonen), soll's mir recht sein.

 

Dass die meisten Menschen nur vom Erwachen träumen wollen, zeigt sich natürlich auch immer wieder bei meinen eigenen Auftraggebern. Die Abbruch-Rate ist, allen erfolgreich beendeten Aufträgen zum Trotz, nach wie vor die höchste Quote- wobei ich dabei nicht unterscheide, ob der Auftraggeber selbst abbricht oder ich das Ende nahelege. Is ja auch unterm Strich wurscht.

 

 

 

Jedenfalls hat sich im Lauf der Zeit und ganz besonders in diesem Jahr (2018), dann auch nochmal mein Fokus bzgl. Arbeit verschärft und verändert. Inzwischen ist für mich ganz klar der Hauptfokus das Scouting. Workshops gibt’s erst bei ausreichend Anfragen wieder, Seekers Corner wurde geschlossen und mein 'Sendungsbewusstsein', meine Freude am Schimpfen&Wettern, am Erklären und Richtig-Stellen, irgendwen oder was erreichen wollen, ist sehr, sehr stark verblasst. Zumal ich auch die Befürchtung hege, mit meinem Output bei manchen Suchenden einen Teil zu ihrem Traum vom Erwachen beizutragen und sie somit davon abzuhalten, wirklich zu erwachen. Ich bin aber nicht gekommen, um Erfrischungstücher, Ablenkungsmöglichkeiten und damit auf ne Art 'Opium' fürs suchende Volk zu reichen. Auch das ein Grund, weshalb ich mich immer ernsthafter frage, was soll dieser oder jener Text- oder Videobeitrag ausrichten? Vermag er das oder isses doch wieder nur das nächste Erfrischungstuch? Bringt das einen Mehrwert, der über etwas Spaß für mich und evtl. meine Leser/Zuschauer hinaus geht? Und immer öfter kann ich diesen Mehrwert nicht finden- und lass es dann einfach sein, mit publizieren.

 

Auf ne Art, hat sich da also sogar was ins Gegenteil verkehrt. Ich vertraue inzwischen darauf, dass ich schon gefunden werde, von denen, die mich finden sollen und wollen und hab kaum noch Impulse, einfach mal drauf los zu schreiben oder sprechen. Und jetzt wo ich es doch mal wieder tue, hast Du, geneigter Leser vielleicht auch schon den etwas?/deutlich? anderen Ton bemerkt...

 

Mir ist bei all dem auch völlig klar, dass nicht ich, aber auch nicht Buddha, Osho, Krishnamurti oder neuere, vielversprechende Gesichter, wie z.B. Warren Archer es vermögen, die 'Welt zu retten', 'die Menschheit als Ganzes' zu erwecken oder irgendein andrer größenwahnsinniger Quatsch aus der Abteilung. Ich versuche daher möglichst nachhaltig zu helfen, da wo ich kann und meine Energien zu sparen, wo es wenig bis keinen Mehrwert verspricht.

 

 

 

Eine der Folgen, dieser starken Fokussierung aufs für mich Wesentliche ist auch, dass sich langsam aber kontinuierlich eine Art 'Technik' herausbildet, mit deren Hilfe es immer besser gelingt, in den unbewussten Tiefen meiner Scoutees aufzuräumen. Ich überlege seit einiger Zeit, ob und wie man diese Vorgehensweise auch mehr Menschen zugänglich machen kann, aber aktuell sind noch zu viele ungeklärte Fragen in dem Thema drin. Bitte habt etwas Geduld!

 

Eine weitere, erstaunliche Entdeckung im Zuge des großen Clean-ups, der Integration, kam dann auch noch vor ein, zwei Monaten hinzu. Das war auch nochmal sehr spannend. Ich saß in einer Tram, die beinahe mit einem Radfahrer kollidierte und bekam mit, wie geschockt der Tramfahrer und natürlich auch der Radfahrer waren. Alle Fahrgäste mussten nach diesem Beinahe-Unfall aussteigen und auf dem Heimweg bemerkte ich irgendwann, dass ich selbst wohl auch leicht geschockt war, denn ich hatte einen Tunnelblick und konnte die andere Straßenseite nicht sehen, ohne den Kopf extra zu drehen. Daheim angekommen merkte ich noch mehr Schock-Symptome bei mir- ich konnte drei Sachen, die ich erledigen wollte nicht in eine sinnvolle Reihenfolge bringen- war also auch kognitiv voll neben der Spur in dem Moment. Und dann krachte ich im Flur zusammen, wie ein gefällter Baum und das große Zittern und Krampfen, wie als hätte ich gerade TRE  gemacht, ging los. Das Thema all der durch den Unfall getriggerten Trauma-Energien war: Unfälle und andere physische Gewalteinwirkung auf meinen Körper- in Bezug auf mein gesamtes bisheriges Leben. Es gab immer wieder kurze Bild-Flashes- der Autounfall, als ich ca. 10 war und hinten saß, der Motorrad-Unfall in Thailand, der Faustschlag, den ich mit ca. 14 von einem Kriminellen verabreicht bekam usw. Natürlich hatte ich mir einiges davon bereits im Erwachensprozess angeschaut- aber damals gings um die psychischen Verletzungen durch die Ereignisse. Diesmal war es rein der physikalische Impact auf meinen Körper. Also auch noch mal was anderes, neues- überraschend und stringent zugleich.

 

Zusammenfassend hab ich den Eindruck, der große Clean-up kommt langsam zu einem Ende- ob vorläufig oder vollständig, kann ich natürlich nicht sagen. Auch nicht verwunderlich: Der Kampf ist vorüber, der Krieger hat sich zur Ruhe gelegt. Und parallel dazu, kommt anscheinend ne neue Phase rein. Irgendwas daran fühlt sich nochmal deutlicher gesettelt an. Da ist was angekommen, heimgekommen. Was ganz ruhiges, nüchternes, gelassenes, friedliches ist da jetzt. Und zugleich eine Lust, eine Freude an der Fülle. Nix ekstatisches, wie man vielleicht denken mag. Ich glaube, der Abstieg vom Berg, vom Gipfel des Absoluten ist langsam abgeschlossen. Die Einheit von Nichts und Allem vollzogen. Das Leben selbst sein und durchs Mensch-Sein verkörpern. Darum scheint's jetzt zu gehen. Da ist eine Neugier darauf, was das Leben noch bereit hält. Eine vage Vorfreude, ganz Neues zu erleben. Neue Menschen, Orte- vielleicht sogar doch noch eine wirklich glückliche Beziehung? Gewiss werde ich jedenfalls meine Grenzen beim Freediving weiter ausloten, den Frieden und die Schönheit der Unterwasserwelt genießen. Und ebenso spannend wird es sein, ob ich einen neuen Ton für mich finden kann, in meinen Texten und vielleicht auch in den Videos. Und ob das irgendwas macht- mit mir, mit Dir, keine Ahnung.

 

 

 

Eins steht jedenfalls fest: Dieses Leben wird nie langweilig. Und ich bin sehr, sehr dankbar. Für Alles.

 

 

 

 

 

In diesem Sinne:

 

Uns allen ein erfülltes, lebendiges Jahr 2019!

 

 

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Michail Chatzinikolau (Sonntag, 30 Dezember 2018 21:19)

    Hallo Verena... oder Evar oder wie? :-)
    Erinnerst du dich noch an mich? Wir hatten mal ein Skype zusammen und über den guten, alten Jed geredet. Es war ein gutes Gespräch und ich muss hin und wieder an Dich denken und freue mich darüber. Du hattest mir damals auch ein paar gute Bücher empfohlen, eins davon war über den kettenrauchenden Erleuchteten. Hab seinen Namen schon vergessen, aber es hat mir sehr gut gefallen. Jetzt habe ich deinen Text gelesen und empfinde ihn ganz anders als deine früheren Sachen. Es klingt einfacher und vor allem friedlicher. Ja, genauso ist es. Alles ist im Prinzip so unglaublich einfach ( wenn auch nicht leicht) und immer eingebettet in diesem totalen Frieden. Am Ende ( was auch gleichzeitig der Anfang ist) sieht man nur noch die Dinge, die sich durch uns ausdrücken. Und es ist nie das, was man denkt dass es ist. Aber jetzt genug geschwafelt. Vielleicht hast du mal wieder Bock auf ein Gespräch mit mir. Ich würde mich freuen. Bis dann.
    LG Michail

  • #2

    Mirdza Bong (Montag, 31 Dezember 2018 01:47)

    hej Verena, guten Abend,
    nach längerer Zeit habe ich mal wieder bei dir reingeschaut und es freut mich, wie du so alles meisterst. Deine Art zu schreiben finde ich so erfrischend ehrlich, ja irgenwie so geraderaus.
    Von Herzen wünsche ich dir und deiner Tochter ein gesundes, wunderschönes Jahr 2019,
    das dich auf allen Ebenen bereichern möge.
    ... und der schönste Ausblick ist der ins Universum - und den wünsche ich allen Menschen!
    Liebe Grüße
    Mirdza Bong

  • #3

    Satya (Montag, 31 Dezember 2018 07:28)

    Ja, liebe Verena, Deine "neuen Töne" höre ich ganz deutlich, und sie klingen sehr schön in meinen Ohren. Da ist einiges an spitziger Schroffheit weggefallen, ohne jedoch an Derine Aussagekraft und Prägnanz zu schwächen. Du bist nach wie vor wundervoll authentisch und klingst jetzt zusätzlich so, als spiele öfter ein Lächeln über Dein Gesicht.
    Alles Liebe für Dich und eine Umarmung,
    Satya

  • #4

    Egobuster (Montag, 31 Dezember 2018 16:10)

    Vielen Dank Euch allen!

    Michail: Na klar erinnere ich mich an dich und unser Gespräch- ich erwähne das sogar in einem Artikel (such ich später mal raus für dich). :-) Können wir gern fortsetzen, demnächst!

    Mirdza: Der Ordnung halber: ich hab einen Sohn. :-)

    Satya: Danke dir- lächeln, kichern und lachen tu ich auch schon länger recht oft- aber es wird Zeit, dass das auch in den Texten durchscheint. schön, wenn es klappt!

  • #5

    Tobi (Dienstag, 01 Januar 2019 16:41)

    "Wir sind hier nunmal in Mayas Reich- der Welt der Illusion, des Traums. Die wenigsten wollen wirklich erwachen- die meisten wollen nur den Traum vom Erwachen träumen. Und für die muss es dann eben auch ausreichend viele 'Traumfänger' geben."

    sounds true

  • #6

    Heike (Samstag, 12 Januar 2019 09:10)

    Liebe Verena, danke für den schönen ehrlichen Text, klingt fein und tatsächlich wirklich deutlich entspannt.
    Dir und deinem Sohn auch ALLES Liebe für das Jahr 2019!
    Ich glaube aus meiner Sicht auch gar nicht, dass das so entscheidend ist, ob Leute nun Erwachen wollen oder nicht. Du begleitest sie ein Stück, so wie du mich auch einige Monate begleitet hast. Und DAS ist für jeden Einzelnen eine große Hilfe, wo bekommt man sonst SO eine Unterstützung. Auch, wenn ich nicht wirklich erwacht bin, war die Begleitung von dir SEHR wertvoll und entscheidend für mich. Nun gehe ich meinen Weg allein weiter und weiß, wenn ich irgendwo "fest stecke", dass es dich gibt. Ich habe Frieden gefunden und kann das meiste mit liebenden Augen betrachten ... EGAL, ob erwacht oder nicht, das passiert, wenn es passieren soll!
    Alles Liebe Heike